Der am 1. Februar 2004 im Alter von nur 35 Jahren an den Folgen einer Hirnblutung verstorbene Rocco Clein war Redakteur und Moderator für Viva und Viva Zwei. Außerdem schrieb er als freier Autor unter anderem für Musikzeitschriften wie Spex, Visions und Intro. Mehr als alles andere aber war Rocco mit Herz und Seele das, was man im Mutterland der Popmusik einen „music lover“ nennt. Seine Leidenschaft, vor allem für Beat, Rhythm'n'Blues und Rock'n'Roll, dominierte und definierte sein ganzes Leben. Egal ob mit seinen Bands Oxalic Lynxs und The Timelapse, als Autor, vor und hinter der Kamera, als DJ oder im Privatleben – die Grenzen waren da ohnehin fließend –, hinter seine unendliche Liebe zur Musik hatte alles andere zurückzutreten. Und er konnte gar nicht anders, als diese Liebe zu teilen.
Das war es, was ihn zum Musikjournalismus trieb und das war es auch, was seine musikjournalistische Tätigkeit definierte. Er wollte begeistern und überzeugen, und das tat er mit so gleichermaßen klugen wie mitreißenden Worten. Meinung und Empathie waren für ihn keine Widersprüche, und selbst durch noch so große Nähe zum verhandelten Thema ließ er sich nie zur Hofberichterstattung verführen. Denn es war ihm Ernst mit der Popmusik. Er hatte ihre Geschichte voll und ganz verinnerlicht, kannte jede noch so kleine Anekdote aus dem Werden und Schaffen, nicht nur seiner großen Idole, der Beatles und der Rolling Stones, sondern noch der abseitigsten Originale und verkanntesten Helden. In dem er das Heute in Relation zur Vergangenheit setze, nutzte er dieses enorme Wissen, um so bei Lesern, Zuschauern, Freunden und selbst zufälligen Tresenbekanntschaften die gleiche Neugierde und Leidenschaft zu wecken, die ihn selbst umtrieb.
Wie so viele seiner Kollegen tat er das die meiste Zeit unter widrigsten finanziellen Umständen. Dennoch: Hätte er nicht von seiner Arbeit Leben müssen, die Begegnung mit den Künstlern, jenen, die sein Feuer schürten und der Handvoll Menschen, die er mit jedem Bericht, jeder Story mit diesem Feuer anstecken konnte, wären ihm allemal Dank genug gewesen.
Deshalb – und wie wir glauben, ganz im Sinne seines Paten – wird der Rocco-Clein-Preis seit 2013 an Musikjournalisten verliehen werden, die ihrer Arbeit aus der gleichen Leidenschaft und mit der gleichen Hingabe nachgehen, die auch Rocco ausgezeichnet hat. Ziel des Preises ist es, Aufmerksamkeit sowohl für jene Musikjournalisten zu schaffen, die trotz ihrer häufig prekären Lebenssituation unbeirrbar an ihrem Traumberuf festhalten, als auch für die beständig wachsenden Schwierigkeiten, unter denen sie dies tun.
In diesem Sinne ist der Rocco-Clein-Preis zuvorderst eines, nämlich eine Geste der Wertschätzung und der Anerkennung. Mehr noch als das, ist er aber ein Versprechen an Rocco: Deine Liebe zur Musik wird uns auch in Zukunft inspirieren.
Stephan Glietsch
Ich habe nie behauptet schreiben zu können. Vor allem nicht herausragend gut. Doch selbst das kam vor. Manchmal. Einige Menschen behaupten das. Andere eher nicht. Was soll ich sagen? Im besten Fall haben beide recht. Wichtiger aber war: zehn Jahre lang mit einer Menge unbestritten (sehr) guter Autorinnen und Autoren an Texten gearbeitet, über sie diskutiert und schlussendlich veröffentlicht zu haben. Das war bei Spex, dem Magazin für Popkultur, in den Jahren zwischen 1996 und 2006.
Heute veröffentliche ich eher selten geschriebene Weisheiten, die länger als 140 Zeichen sind, und wenn, dann zumeist in der digitalen Welt. Was einem guten Text egal sein sein sollte. Das gilt für die Länge genauso, wie für den Ort an dem er gelesen wird.
Heutzutage ist das Veröffentlichen, auch dank der Demokratisierung im Publikationswesen, nur in der Theorie einfacher geworden. Die Printromantiker mindestens dürften dem vehement widersprechen. Alle werden sich auf jeden Fall darauf einigen können, dass es nach wie vor schwierig ist wahrgenommen zu werden, weil die Flut an Informationen droht, selbst die hell leuchtenden Sterne unter den Autor/innen ins Dunkel der Megaegalmasse zu saugen. Umso richtiger, und vielleicht auch wichtiger, scheint es mir, der Haupt-Einstiegsdroge in den Journalismus, dem Stecken- und manchmal auch sträflich unbeachteten Schreibpferd Musikjournalismus eine solche Auszeichnung anheim zu stellen. Einen Preis, der einen großen Namen trägt, den meines guten Freundes Stefan Bickerich alias Rocco Clein – der leider nicht mehr lebt.
Rocco Clein war vielleicht ebenfalls nicht immer der beste Autor in den Augen der Schönschreiber und Klugscheißer. Aber er konnte, ganz natürlich, das, was die Klugscheißer und Schönschreiber nur selten können: Empathie nicht bloß über 30 Interviewminuten vorgaukeln, sondern leben, sein getriebenes Fan-Ich zum alles und jeden entwaffnenden Botschafter der guten Sache machen – seiner Leidenschaft . Und ja, natürlich auch fulminante Texte schreiben.
Mehr Missionar, weniger als Autor, so habe ich mich selbst immer gesehen – zumindest was den Textanteil meiner Arbeit bei und für Spex anging. Missionar sein, möglichst ohne missionierend zu wirken. Der Rest des Lebens war bloß wirtschaftlicher Überlebenskampf und Alltag. Rocco Clein war mir – abgesehen davon, dass er eine Familie hatte, die er abgöttische liebte – in diesem Punkt, das behaupte ich einfach mal, ein wenig ähnlich. Aber dabei noch hundertmal talentierter und ehrlicher, weil scheinbar immer frei von jedem Druck es z.B. einer extrem heterogenen Besserwisser-Leserschaft recht machen zu wollen. Unverkrampft. Seine Leser/innen, oder Zuschauer/innen vor den Fernsehschirmen, die Roccos nicht unerhebliches Dazutun beim kurzzeitigen Erfolg von Viva und Via Zwei begutachtet haben, betrachtete er immer und ausnahmslos als potentielle »Freunde«. Wer es mit Rocco Clein zu tun bekam, wurde sein Freund. Wer sein Freund war, konnte kein schlechter Mensch sein.
Rocco schrieb, wie er war. Er lebte, was er liebte. Ob das nun immer Cool School Common Sense war – piepegal.
Dies alles ist nur ein Teilaspekt davon, was man als Rüstzeug für den (Musik)Journalismus, vor allem im Heute, mitbringen könnte. Neben einem beinahe bibliothekarischen Musikwissen vielleicht. Oder raffinierten Interviewtechniken. Oder dem Wissen, immer gute Korrekturleser um sich zu haben. Oder so. Oder einfach nur Texttalent zu besitzen.
Leidenschaft aber ist es, die man in keiner Schreibschule lernen, die keine noch so gute Verkleidung vortäuschen kann und die man auch nicht lernt zu leben, wenn man sein Genie ausschließlich isoliert von der Welt ums Über-Ich kreisen lässt. Behaupte ich mal. Ebenso wenig, wie die Erfahrung gemacht zu haben, diesen Preis zu gewinnen. Einen Preis, der seinen Namen trägt. Als ein in Blut, Alkohol, Schweiß und alle Sorten Tränen getränkter Pflasterstein auf einem womöglich langen, sicher nicht selten steinigen Autorenweg.
Aber Leidenschaft ist, wie gesagt, nur eines von vielen Indizien es mit einem guten Text zu tun zu haben, klar. Immer aber ist es Persönlichkeit, die in den wirklich großen Werken zwischen jeder Zeilen lesbar ist, vor allem eben dann, wenn der Musikjournalismus mal wieder seine beliebteste Trumpfkarte spielt: offen zur Schau gestellte Subjektivität.
Genau hier setzte Rocco Clein Maßstäbe. Aber nicht nur. Immer und immer wieder stand im Subtext eines Artikels von Rocco Clein etwas, das ich auch heute noch als einen meiner liebsten Sätze von ihm im Ohr habe, ganz gleich, ob es um drohende Deadlines, unmögliche Vorhaben generell oder einfach nur darum ging, so intensiv das Leben zu leben und zu feiern, wie das nur menschenmöglich war:
»Uwe, du kannst dich auf mich verlassen. Ich bin Profi.«
Uwe Viehmann
Rocco Clein war leidenschaftlicher Musikjournalist, Musiker und Fernseh-Moderator, der mit klugen Texten begeistern, mitreißen und überzeugen konnte. Er starb viel zu früh im Jahre 2004. Ihm ist der 2013 ins Leben gerufene und auch nach ihm benannte Musikjournalistenpreis gewidmet, der auch in diesem Jahr wieder im Rahmen des Reeperbahn Festivals vergeben wird.
Der Rocco-Clein-Preis soll Anerkennung und Wertschätzung sein für alle Musikjournalisten, die auch unter schwieriger werdenden Bedingungen an ihrem Beruf und damit der Liebe zur Musik festhalten, und wird von einer umfangreichen Jury aus Musikjournalisten, Autoren und Branchenkennern vergeben.
Nachdem der Preis im ersten Jahr zunächst als Auszeichnung für Nachwuchsjournalisten startete, wird er seit 2014 in insgesamt neun Kategorien vergeben:
- Nachwuchspreis
- Reportage
- Interview
- Plattenkritik
- Porträtfoto / Konzertfoto
- Coverlayout
- Musikblog
- musikjournalistisches Radio-/TV-Format
- Ehrenpreis
Der Schwerpunkt des Preises liegt weiterhin auf der Kategorie „Nachwuchs“. Den insgesamt drei gleichberechtigten Preisträgern in dieser Kategorie wird die Möglichkeit gegeben, einen Artikel für ein etabliertes Musikmagazin zu veröffentlichen sowie ein Redaktions-Praktikum zu absolvieren.